Irgendwie hat jeder schon mal vom Beckenboden gehört. Spätestens in der Rückbildungsgymnastik nach einer Schwangerschaft beschäftigen sich viele Frauen das erste Mal bewusst mit dem Thema Beckenboden. Doch wofür brauche ich eigentlich Beckenbodentraining? Es ist vielen bekannt, dass sich eine Schwangerschaft auf diese Körperregion belastend auswirken kann. Dass es aber auch ohne eine Schwangerschaft (und für Männer übrigens gleichermaßen) wichtig ist, sich der Körpermitte zu widmen, ist eher nicht so geläufig.
Solange keine Beschwerden auftauchen, kümmern sich die wenigsten darum, diese Körperregion zu trainieren. Damit das aber auch so bleibt, ist es umso wichtiger, sich damit zu beschäftigen. Der Beckenboden leistet jeden Tag Großartiges für unseren Körper und findet dabei bei den meisten viel zu wenig Beachtung. Kein Wunder, denn die Beckenbodenmuskulatur bewegt kein Gelenk und ist von außen nicht sichtbar. Das macht es nicht direkt ersichtlich, wofür der Beckenboden überhaupt gut ist.
4 wesentliche Aufgaben des Beckenbodens bei der Frau
Verschließen
Den meisten ist bekannt, dass eine gesunde Beckenbodenmuskulatur dafür sorgt, dass man dicht hält, also kontinent ist, indem sie die Schließfunktionen um Blase und After übernimmt.
Hinauslassen
So wie sich die Muskulatur des Beckenbodens zum Verschließen anspannt, muss sie sich auch entspannen können. Dies ist einerseits zum Öffnen der Harnröhre und des Darmausganges notwendig. Zum anderen dehnt sich der Beckenboden während des Geburtsvorganges deutlich, um für das Baby Platz zu machen.
Tragen
Nach unten hin stützt der Beckenboden die inneren Organe, sichert ihre Lage und schließt den Bauchraum ab. Während der Schwangerschaft hält er die Gebärmutter. Er wirkt stabilisierend auf die untere Wirbelsäule und hat als Verbindung zwischen dem Oberkörper und den Beinen eine wesentliche Funktion bei der gesamten Körperhaltung und Bewegungskoordination. Bei Akrobaten und Tänzerinnen kann man beispielsweise sehr gut beobachten, dass sie sich mit einer Leichtigkeit aus ihrer starken Mitte heraus bewegen. Vielleicht kannst du es nachempfinden, wenn du bei manchen Übungen (z.B. Pilates) die Position nicht gut halten kannst. Probiere es doch einfach mal aus und aktiviere deine Mitte, nämlich deinen Beckenboden. Du wirst sehen, plötzlich klappt es viel besser.
Hineinlassen und Verschließen
Nicht zu vergessen das Hineinlassen und Verschließen bei sexueller Stimulation.
Daneben gibt es noch weitere positive Effekte, die ein intakter Beckenboden hervorruft. So verbessert sich die Durchblutung des Beckens und die sexuelle Empfindungsfähigkeit. Eine starke Mitte unterstützt eine aufrechte Körperhaltung über die Muskelketten und fördert zusätzlich das Selbstwertgefühl. Viele Frauen, die regelmäßig Beckenbodentraining machen, berichten über eine insgesamt bessere Körperwahrnehmung und fühlen sich energiereicher und geerdet.
Was ist das Ziel des Beckenbodentrainings?
Beim Beckenbodentraining geht es nicht darum, dicke Muskelpakete im Beckenboden aufzubauen. Das wäre auch eine ziemlich gruselige Vorstellung. Ziel ist es, durch Beckenboden Übungen die Muskulatur so zu aktivieren und zu stabilisieren, dass man sich im normalen Alltag und beim Älterwerden keine Gedanken machen muss. Ein aktiver Beckenboden reagiert nämlich von selbst je nach Belastung angemessen. Er kann bei starken Belastungen kraftvoll anspannen, aber genauso vollständig loslassen, wenn Entspannung angesagt ist (z.B. beim Toilettengang).
Das Training des Beckenbodens ist somit sehr facettenreich.
Im Folgenden erfährst du 3 Gründe, warum du am besten direkt damit starten solltest:
Zum einen soll der Beckenboden weiterhin fähig sein, die 4 wesentlichen Aufgaben zu erfüllen. Durch aktives Beckenbodentraining kannst du somit Altersleiden (wie z.B. Inkontinenz) präventiv vorgreifen.
Zum anderen geht es aber noch weit darüber hinaus. Durch das regelmäßige Training kannst du dein Körpergefühl verbessern und die Selbstwahrnehmung fördern. In den asiatischen Bewegungskünsten wie Tai Chi und Yoga ist oft die Rede von der „Kraft von innen“, Hara, der Quelle der Lebensenergie. Das ist für die meisten von uns auf den ersten Blick nicht greifbar. Mit gezieltem Beckenbodentraining und der Stärkung der eigenen Mitte versteht man jedoch plötzlich, was damit gemeint ist.
Dein(e) Partner(in) profitiert auch davon: Beckenbodentraining bringt nicht nur enorme gesundheitliche Vorteile mit sich. Das Lustempfinden wird dadurch zusätzlich gesteigert.
Wie kommt es denn dann, dass der Beckenboden bei vielen Leuten zu wenig Beachtung findet?
Für viele ist der Beckenboden immer noch ein Tabu Thema. Wer spricht schon gerne bei einem Kaffeeklatsch mit den Freundinnen und Freunden darüber, dass beim Sport auch mal ein Tröpfchen im Höschen landet. In einer Männerrunde kann ich mir auch kaum vorstellen, dass der Beckenboden und mögliche Problemchen damit die erste Themenwahl darstellen.
Dazu kommt, dass die Probleme, die sehr viele Leute betreffen, oft heruntergespielt werden. Es ist eine weitverbreitete Annahme, dass Inkontinenz eine unabwendbare Alterserscheinung sei, die man einfach so hinnehmen müsse. Studien zufolge ist das einer der Gründe, weshalb nur ein Bruchteil der Betroffenen frühzeitig zum Arzt geht. Dabei kann man aktiv etwas dafür tun, um den Zustand zu verbessern oder erst gar nicht eintreten zu lassen. Je früher man anfängt, desto besser. Denn dann lassen sich meist mit sehr einfachen Maßnahmen wie gezielten Beckenbodenübungen oder Verhaltensänderungen deutliche positive Effekte erzielen.
Hinzu kommt, dass man im Alltag kaum Informationen zum Beckenboden erhält. Dadurch, dass die Muskulatur von außen nicht ersichtlich ist und auch kein Gelenk bewegt, geht sie im normalen Sporttraining meist etwas unter. Bei einigen Übungen wird zwar automatisch die Beckenbodenmuskulatur mittraininert, ohne dass man es explizit merkt. Die Wirkung kann jedoch deutlich verstärkt werden, wenn man gezielt den Beckenboden ansteuert.
Ich habe schon immer sehr viel Sport gemacht. Vor meinen Schwangerschaften stand der Beckenboden dabei jedoch eher weniger im Fokus. Wenn dich interessiert, wie der Beckenboden zu meinem Herzensthema wurde, lies gerne hier: Warum mir der Beckenboden so wichtig ist
Wie entwickelt sich der Beckenboden mit steigendem Alter?
Insgesamt besteht der Beckenboden aus Muskeln, Bändern und Bindegewebe. Dabei ist der Anteil des Bindegewebes bei der Frau etwas höher als beim Mann, damit sich der Beckenboden bei einer Geburt besser dehnen kann. Mit steigendem Alter lässt ganz natürlich die Straffheit des Beckenbodens nach. Das können wir (leider) auch beim restlichen Bindegewebe im Körper beobachten. Es gibt einige Risikofaktoren, die neben einem schlechten Bindegewebe, den Beckenboden zusätzlich negativ beeinflussen können, wie z.B.: Übergewicht, chronischer Husten, Asthma und hormonelle Veränderungen während der Wechseljahre bei der Frau. Hinzu kommen die täglichen Belastungen wie langes Stehen, schweres Heben oder auch Sportarten, bei denen der Beckenboden besonderen Erschütterungen ausgesetzt ist (z.B. Joggen).
Wie beeinflusst eine Schwangerschaft oder eine Geburt den Beckenboden?
Eine der besonderen Herausforderungen für den Beckenboden sind jedoch die Schwangerschaft und Geburt. Bereits in der Schwangerschaft können die meisten Frauen deutlich spüren, dass sich die Bänder dehnen und das Gewebe weicher wird. Mit wachsendem Embryo wird die Gebärmutter immer schwerer und drückt vermehrt nach unten. Die anderen Organe im Bauchraum schaffen zusätzlich Platz und rücken mit dem Bindegewebe zur Seite. Im Verlaufe der Schwangerschaft verschiebt sich der Schwerpunkt der Schwangeren dadurch immer mehr. Viele versuchen das automatisch auszugleichen und nehmen Fehlhaltungen ein, die zusätzlich den Beckenboden belasten.
Die Geburt kann dazu noch eine besondere Belastung für den Beckenboden darstellen. Hierbei kommt es auf verschiedene Faktoren an, wie z.B. die Länge der Austreibungsphase, bei der das Kind auf die Muskulatur und das Bindegewebe drückt. Auch die Kopfgröße des Kindes oder Geburtsverletzungen können dazu führen, dass der Beckenboden im Nachgang beeinträchtigt ist und besonderer Beachtung bedarf.
Nicht umsonst ist es nach einer Schwangerschaft unbedingt notwendig, Rückbildungsgymnastik zu machen. Hierbei solltest du jedoch nicht früher als 6-8 Wochen nach der Geburt starten (bei einem Kaiserschnitt nach ca. 12 Wochen).
Ob mit oder ohne Schwangerschaft: Ich empfehle dir in jedem Fall, den Beckenboden als Muskelgruppe in deinen Trainingsplan mitaufzunehmen. Dazu werde ich dir in nächster Zeit einige Übungen zeigen, die du auch einfach in den Alltag integrieren kannst.
Wenn du zukünftig nichts verpassen willst zum Thema Beckenboden, trage dich gerne in meinen Newsletter ein. Du wirst dann informiert, sobald es weitere Beiträge auf dem Blog gibt.
2 Kommentare
Hallo Carmen,
ich folge als coloe Oma bei Insta und freu mich sehr als „alte Hebamme“ immer mehr Freunde für den Beckenboden zu finden, die Frauen egal in welchen Altersgruppen ich unterwegs bin sind dankbar und jetzt endlich bereit für bewußtes Wahrnehmen und üben,
weiter so und schau mal über die Internetseite:-)
LG die coole Oma Birgit
Liebe „coole Oma“ Birgit,
vielen Dank für dein schönes Feedback! Ich freue mich sehr darüber, immer mehr Frauen mit Infos zum Beckenboden zu erreichen.
Deine Arbeit ist so wertvoll und du kannst auf so einen tollen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Davon profitieren die Frauen, die dich als Hebamme an der Seite haben, mit Sicherheit sehr.
Liebe Grüße
Carmen